Innovation Deal: Experten nennen fünf Perspektiven für Landwirtschaft
Webinarreihe der IGP: GAP und Green Deal betreffen Lebensmittelproduktion von morgen und benötigen gesamtgesellschaftlichen Diskurs.
Im Zuge einer sechsteiligen Webinarreihe hat die IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP) gemeinsam mit Experten zentrale Elemente eines Innovation Deals erörtert. Dabei standen aktuelle Herausforderungen, Effekte eines Innovationsschubs in der Landwirtschaft, die globale Lebensmittelversorgung und die Agrarkommunikation im Fokus. Im sechsten Webinar betonten die Experten, dass bei der GAP und beim Green Deal ein gesamtgesellschaftlicher und ganzheitlicher Dialog notwendig ist, um gemeinsam über die landwirtschaftliche Produktion von morgen zu diskutieren. Da die Medien eine zentrale Rolle spielen, forderten sie bei der Veranstaltung zum Thema „Das hässliche Entlein? Die landwirtschaftliche Produktion in den Medien“ eine stärkere Auseinandersetzung der Journalisten mit der landwirtschaftlichen Produktion. Die Ergebnisse der Webinare werden nun in einer Schriftenreihe zum Innovation Deal zusammengefasst und im September im Zuge eines IGP Dialogs diskutiert. Damit will die IGP einen Beitrag zu einem konstruktiven Agrardialog leisten, der Chancen und Perspektiven für die Landwirtschaft von morgen aufzeigt. Die Webinare können auf dem Youtube-Kanal der IGP nachgesehen werden.
„Die COVID-Krise hat gezeigt, dass es einen hohen Selbstversorgungsgrad mit hochwertigen Produkten aus einer regionalen Landwirtschaft braucht. Grundlage dessen ist eine nachhaltige Landwirtschaft, die ein Gleichgewicht zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem schafft sowie innovative Betriebsmittel, neueste Technologien und Werkzeuge der Digitalisierung nutzt. Die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln schreiten voran und investieren insgesamt 14 Milliarden Euro in die Forschung und Entwicklung von digitalen Lösungen und Pflanzenschutzmitteln für den biologischen Bereich“, betonte Christian Stockmar, Obmann der IGP.
Fünf Perspektiven für eine zukunftsfitte Landwirtschaft:
Im Zuge der sechs Webinare haben sich aus den Aussagen der Experten fünf zentrale Perspektiven herauskristallisiert, die zur Entwicklung einer modernen und nachhaltigen Landwirtschaft beitragen:
1.) Ein ganzheitlicher, faktenbasierter Diskurs über die Landwirtschaft von morgen ermöglicht eine visionäre Agrarpolitik des Ermöglichens, die Anreize für Innovation, Modernisierung und Maßnahmen in allen drei Bereichen der Nachhaltigkeit setzt.
2.) Moderne und digitale Technik sowie vernetzte Farm-Managementsysteme erlauben eine Optimierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, eine Effizienzsteigerung sowie eine ökologischere Bewirtschaftung. Eine weitere Verbesserung und Ausweitung der Aus- und Weiterbildung sowie Beratung und eine entsprechende Abgeltung von Leistungen mit Allgemeinnutzen (z.B. Biodiversität) fördern diese Entwicklung zusätzlich.
3.) Ein intensivierter Austausch zwischen Betrieben, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft gewährleistet einen horizontalen und vertikalen Wissenstransfer, von dem alle profitieren.
4.) Kulturpflanzen brauchen vor dem Hintergrund des Klimawandels und einem steigenden Druck durch Schädlinge auch künftig einen wirksamen Schutz zur Gesunderhaltung. Forschung und Entwicklung benötigen geeignete Rahmenbedingungen, um Wissen zu generieren, Prognosemodelle weiter zu verbessern sowie innovative Pflanzenschutzmittel zu entwickeln, die eine Mengen- und Risikoreduktion ermöglichen.
5.) Eine offene und authentische Kommunikation der Landwirtschaft gewinnt die Konsumenten für eine zeitgemäße, heimische Landwirtschaft.
„Diese fünf Perspektiven leisten einen Beitrag zum Gelingen des Nachhaltigkeits-Spagats zwischen einer ausreichenden Produktion und einem hohen Selbstversorgungsgrad, einer biodiversitätsfördernden und klimaschonenden Bewirtschaftung sowie einer Landwirtschaft, die sich die Konsumenten wünschen. Das ermöglicht eine Resilienz der Lebensmittel-Versorgung und der Ökosysteme als Grundlage einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Produktion“, so Stockmar.
Webinar zur Agrarkommunikation: Journalisten müssen auf die Höfe
Die Agrarkommunikation und Wissen über die Landwirtschaft bei den Konsumenten tragen zu einem faktenbasierten Diskurs bei und sind dementsprechend wichtige Eckpfeiler einer Transformation hin zu einer zukunftsfitten Landwirtschaft. Sie waren daher im Fokus der sechsten Veranstaltung zum Thema „Das hässliche Entlein? Die landwirtschaftliche Produktion in den Medien“ als Abschluss der Webinarreihe der IGP. Gerlinde Pölsler von der Wiener Wochenzeitung Falter, Stefan Nimmervoll von Blick ins Land und Roman Vilgut von der Tageszeitung Kleine Zeitung diskutierten dabei Herausforderungen im Agrardiskurs und notwendige Änderungen für die Zukunft, die nachfolgend zusammengefasst sind:
Gerlinde Pölsler kritisierte, dass der GAP als Gesamtstrategie zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird: „Die GAP betrifft uns alle, denn sie bestimmt wesentlich, wie Lebensmittel hergestellt werden und sich Boden- und Wassergesundheit, Biodiversität und Klimawandel weiterentwickeln. Wir müssen die große Chance erkennen, gemeinsam darüber diskutieren und die Wende schaffen. Viele Menschen haben Interesse an der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion, das belegen die Einschaltquoten bei Dokumentationen im Fernsehen und die Erfolge von Kinofilmen wie „We Feed the World“. Man kann den Menschen also die Wahrheit zumuten. Aber es gibt im Unterschied zu biologischen Landwirten im konventionellen Bereich zu oft die Angst vor Kritik, weshalb Landwirte sich vor einem Dialog scheuen. Auf der anderen Seite müssen auch wir Journalisten mehr auf die Höfe.“
Roman Vilgut meinte, dass das in der Werbung vermittelte Bild der Landwirtschaft bei den Konsumenten angekommen ist. „Will die Landwirtschaft jedoch ein authentisches Bild der Lebensmittelproduktion in Österreich vermitteln, sollte sie anfangen, darüber zu reden. Wenn Konsumenten und Bauern eine Produktion wollen, bei der mit Pflanzen und Tieren vernünftig umgegangen wird, fehlt uns die Debatte über den Weg dorthin und die Auswirkungen für Landwirte und Konsumenten. Diese Form der Produktion und der Kauf von Billigprodukten passen nicht zusammen. Wenn die konventionelle Landwirtschaft also eine Vision hat, ist jetzt die Zeit, das zu erzählen. Dann müssen die Landwirte vor allem in den Städten in die Schulen gehen, um später einen kompetenten Konsumenten zu haben. Insgesamt fehlt aber ein einheitliches Bild der Landwirtschaft, weil sie heterogen ist. Bevor all das passieren kann, muss die Landwirtschaft an sich selbst arbeiten.“
Stefan Nimmervoll gab einen Überblick über die Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion und den Agrardiskurs: „Die Nachkriegsgeneration war von Jahren mit Entbehrungen geprägt. Durch Technik, wirksamen Pflanzenschutz und veränderte Produktionsweisen ist es gelungen, das zu meistern. Nach Milchseen und Butterbergen hat die Generation der Umweltbewegten den Fokus auf ökologische Themen gesetzt. Innovation, Technologie und Digitalisierung sind hier negativ behaftet. Die Generation der Digital Natives wird an das Thema anders herangehen, zumal Innovation auch zu positiven ökologischen Effekten führt. Um diese zwei Generationen unter einen Hut zu bringen, braucht es einen Diskurs, der Dinge zusammenbringt und ein realistisches Bild zeichnet. Wenn Journalisten immer nur in die Richtung ihrer vorgefertigten Meinung recherchieren, entwickelt das den Diskurs nicht weiter. Die Landwirte müssen wiederum die Menschen auf ihre Betriebe lassen. Das leistet einen wichtigen Beitrag zu einer ernsthaften, ehrlichen und authentischen Kommunikation.“