IGP fordert von EU-Politik zukunftsfähige Ideen für die Landwirtschaft
IGP unterstützt Positionspapier der Agrarverbände gegen einseitige EU-Reduktionspolitik. Nachhaltige Produktion braucht Innovation, Technologie sowie Forschung und Entwicklung.
„Eine einseitige Reduktions- und Verbotspolitik mit pauschalen, realitätsfernen Zielen wird die Landwirtschaft in Europa vor unlösbare Aufgaben stellen und die bäuerlichen Betriebe gefährden. Mit jedem geschlossenen Betrieb geht dann auch ein Stück der Selbstversorgung Österreichs verloren“, warnt der Obmann der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP), Christian Stockmar. Die IGP unterstützt daher das gemeinsame Positionspapier von insgesamt 15 Agrarverbänden zum Vorschlag für eine Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (SUR).
Die Verbände benennen sechs grundsätzliche Bedenken zum SUR-Vorschlag:
1. In Österreich konnte die in Verkehr gebrachte Menge chemisch-synthetischer Wirkstoffe innerhalb von 10 Jahren um 22 Prozent reduziert werden. Eine weitere schrittweise Reduktion wird auch künftig verfolgt. Im Sinne einer produzierenden Landwirtschaft ist eine Halbierung der Menge jedoch unrealistisch, da der Einsatz von Alternativprodukten häufig höhere Aufwandmengen bedingt. (Quelle: Zulassungsstatistik)
2. Laut einer Veröffentlichung der Kommission zu Trends bei der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln steigt die in Verkehr gebrachte Wirkstoffmenge in Österreich gemäß dem Harmonisierten Risikoindikator 1, da inerte Gase (Kohlendioxid, CO2) 2016 in die Statistik aufgenommen wurden. CO2 wird bei der Lagerung von Ernteprodukten – auch in der Bio-Produktion – eingesetzt. 2019 wurden in Österreich insgesamt 1.392 Tonnen inerte Gase in Verkehr gebracht, 2020 bereits 2.171 Tonnen. Sie nehmen damit 38 Prozent der gesamten in Verkehr gebrachten Wirkstoffmenge ein. Die inerten Gase sind damit der eigentliche Grund der vermeintlich steigenden Gesamtwirkstoffmengen. Ein weiterer Faktor für die Zunahme ist die vermehrte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit Wirkstoffen, die eine hohe Aufwandmenge aufweisen, etwa Schwefel und Kupfer. Hier liegt die Aufwandmenge bei ca. 30 kg bis zu 55 kg Wirkstoff je Hektar und Saison, während sie bei chemischsynthetischen Pflanzenschutzmitteln in der Regel zwischen wenigen Gramm bis zu wenigen Kilogramm liegt. (Quelle: BAES)
3. Mindestens 25% der EU-Agrarfläche sollen laut den Strategien des Green Deals ab 2030 biologisch bewirtschaftet werden. Österreich bewirtschaftet bereits 26% der Fläche biologisch und dennoch muss es die gleichen Reduktionsziele vorweisen.
4. Das Anwendungsverbot von Pflanzenschutzmitteln in „sensiblen Gebieten“ ist weit gefasst und spiegelt nicht die Bedingungen der Mitgliedstaaten wider. Das wird zu geringeren Ernteerträgen, höheren Produktionskosten, einem Anstieg der Lebensmittelpreise und einer steigenden Importabhängigkeit der EU führen. Dies insbesondere deshalb, da auch eine Stilllegung von landwirtschaftlichen Flächen in den Strategien des Green Deals vorgesehen ist.
5. Wird der SUR-Vorschlag in seiner aktuellen Form umgesetzt, sinken in Österreich und der EU die Erträge im zweistelligen Prozentbereich und die Lebensmittelproduktion verlagert sich in Drittländer, in denen Natur- in Agrarflächen umgewandelt werden müssen. Zusätzlich steigen die Emissionen durch die aufwändigere Logistik an. Die Treibhausgas-Emissionen für die Lebensmittelproduktion Europas werden also nicht gesenkt, sondern in Drittländer verlagert und aufgrund der sinkenden Produktivität global sogar gesteigert.
6. Die SUR in der aktuellen Fassung gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Landwirte auf den globalen Agrar- und Lebensmittelmärkten. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Ertragsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft durch die Vorschläge in der SUR deutlich zurückgehen wird. Die Produktion in Europa wird deutlich teurerer und Importprodukte aus anderen Regionen der Welt vergleichsweise billiger.
Daher fordern die unterzeichnenden Verbände eine wissenschaftlich fundierte und umfassende Folgen- und Umsetzbarkeitsabschätzung, bevor die SUR beschlossen wird, um negative Folgen für die Landwirtschaft, die Versorgungssicherheit und den Forschungsstandort Europa zu vermeiden.
Fordern verlangt auch Fördern
Stockmar betont zudem, dass ertragsmindernde Maßnahmen auf EU-Ebene angesichts der aktuellen internationalen Situation fahrlässig sind: „Die Selbstversorgung mit Lebensmitteln aus einer regionalen Landwirtschaft ist wichtiger denn je, um die Abhängigkeit von internationalen Märkten und Importen aus Drittländern zu reduzieren. Zudem kommt Europa nur mit dem Einsatz ertrags- und qualitätssichernder Betriebsmittel seiner Verantwortung nach, einen Beitrag zur globalen Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln zu leisten. Setzt sich der Konflikt in der Ukraine fort und fehlen auch in den nächsten Jahren große Erntemengen in wichtigen Kulturen, drohen bestehende soziale Konflikte in einigen Regionen weiter zu eskalieren.“
„Wir sollten die Landwirte in Europa bestärken, indem wir ihnen Chancen und Perspektiven aufzeigen. Das heißt: die Entwicklung und Integration von moderner Technik, innovative Pflanzenschutzmittel sowie ein starkes Netzwerk aus Ausbildung, Beratung, Forschung und den Betrieben selbst, um die Landwirtschaft kontinuierlich weiterzuentwickeln. Die EU-Politik ist gefordert, dafür die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen“, so Stockmar. Er hebt dabei gute Konzepte in den Mitgliedländern und z.B. etwa ÖPUL in Österreich hervor, die als Best-Practice-Beispiel herangezogen werden können.
Die Pflanzenschutzmittel-Hersteller haben sich ihrerseits zum Ziel gesetzt, bis 2030 insgesamt 14 Milliarden Euro in die Entwicklung von biologischen Pflanzenschutzmitteln und technologische Lösungen zu investieren. „Wir wollen die Landwirte auch künftig mit einem umfangreichen Portfolio an biologischen und konventionellen Pflanzenschutzmitteln unterstützen. Nur dann können sie die Pflanzen vor Schaderregern schützen, hochwertige Ernten sicherstellen und einen hohen Selbstversorgungsgrad gewährleisten.“