IGP: EU-Kommission stellt Landwirte vor unlösbare Aufgaben
Industrie warnt vor Folgen des Entwurfs zur Sustainable Use Regulation (SUR): Sinkende Erträge und bäuerliche Einkommen, steigende Emissionen und Preise, Verlust der Ernährungssouveränität.
Die IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP) veranstaltete ein Kamingespräch mit Agrarverbänden und Journalisten und äußerte dabei scharfe Kritik am aktuellen Entwurf der EU-Kommission zur Sustainable Use Regulation (SUR). „Es braucht für eine zukunftsfitte Landwirtschaft keine EU-Agrarpolitik der Verbote, sondern eine des Ermöglichens. Nur dann werden ausreichend gesunde Nahrungsmittel produziert. Der eingeschlagene Pfad ist ein Irrweg, der für alle drei Bereiche der Nachhaltigkeit negative Folgen hat“, so Christian Stockmar, Obmann der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP). Vier Folgenabschätzungen kommen auf Basis unterschiedlicher Berechnungsmethoden zum selben Schluss: Die Produktion sinkt um bis zu 20 % (Ölsaaten und Getreide), die Preise steigen um 10-20 % und die Produktion und damit einhergehende Umweltbelastungen werden in Drittländer ausgelagert. Dort ist mit einer geringeren Produktivität zu rechnen – auf Kosten der Biodiversität und der Aufwand für die Lieferketten nimmt zu. Dadurch steigen die globalen Emissionen. Der Ukraine-Krieg verschärft diese Entwicklungen weiter.
Es gibt aber noch weitere Signale für derartige Entwicklungen:
- Prognosen zeigen Temperatursteigerungen von mindestens 2 Grad Celsius bis 2080. Wie bei Menschen steigt der Stress für Pflanzen an, die dadurch anfälliger für Schaderreger werden.
- In den Hauptproduktionsgebieten im Nordosten Österreichs sind bei Getreide in den Jahren 2036 bis 2065 Ertragsverluste bis hin zu einem Trockenmasse-Kornertrag unter 4.000 kg/ha zu erwarten. (Quelle: AGES)
- Seit 2014 sind in Österreich 84 der insgesamt 350 Wirkstoffe verloren gegangen. Viele Kulturen rechnen sich nicht und gehen für die Fruchtfolge verloren. Dazu zählt etwa Raps, der eine wichtige Trachtfläche und Lebensraum für zahlreiche Insektenarten ist.
- Die Kartoffelernte in Niederösterreich fällt heuer deutlich geringer als im Vorjahr aus. Der Grund dafür sind Hitze, Trockenheit und ein enormer Drahtwurmbefall. Österreich kann daher die Versorgung mit Kartoffeln nur durch den Import aus Drittländern wie Ägypten sicherstellen.
„Mission Impossible“ für Land- & Forstwirtschaft, aber auch EU
„Die SUR in ihrer jetzigen Form ist eine ‚Mission Impossible‘, weil viele Ziele miteinander in Konflikt stehen“, kritisiert Stockmar. So ist eine Erhöhung des Bio-Anteils und eine gleichzeitige Reduktion des Pflanzenschutzmittel-Einsatzes unmöglich, da Bio-Wirkstoffe höhere Aufwandmengen bedingen. Bei Schwefel und Kupfer etwa liegt die Aufwandmenge bei ca. 30 kg bis zu 55 kg Wirkstoff je Hektar und Saison, während sie bei chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln in der Regel zwischen wenigen Gramm bis zu wenigen Kilogramm liegt. (Quelle: BAES)
„Ein Anwendungsverbot in sensiblen Gebieten wiederum lässt Landwirte in den betroffenen Regionen ohne jedes Hilfsmittel gegen Schaderreger zurück, weshalb die Erträge sinken“, so Stockmar. „Wir fordern daher eine Folgenabschätzung, um diese Konflikte offenzulegen, eine Revision der Vorgaben und eine evidenzbasierte EU-Agrar- und Umweltpolitik. Die notwendige Transformation der Landwirtschaft darf nicht zu einem schlechten Deal für den Planeten, die Landwirtschaft und die Konsumenten werden“, so Stockmar.
Innovation Deal: Je früher, desto besser
Die IGP hat mit Experten Lösungen diskutiert, um eine Transformation der europäischen Landwirtschaft zu schaffen. Neben einem umfassenden Dialog aller Stakeholder und intensiveren Wissenstransfer braucht es vor allem Forschung und Entwicklung sowie innovative Technik. Die Industrie geht als gutes Beispiel voran und investiert bis 2030 insgesamt 14 Mrd. EUR in technologische Lösungen und biologische Pflanzenschutzmittel.
„Der integrierte Pflanzenschutz benötigt Zugang zu möglichst vielen agronomischen, (bio)technologischen, züchterischen, biologischen und chemischen Lösungen. Ein möglichst vielfältiger Werkzeugkoffer an Betriebsmitteln ist für die Gesunderhaltung der Kulturpflanzen essenziell. Werden Wirkstoffe nicht mehr zugelassen und fehlen Alternativen, hat das fatale Auswirkungen auf die EU-Landwirtschaft“, so Stockmar. „Die EU-Kommission ist gefordert, die Rahmenbedingungen für Forschung & Entwicklung zu verbessern. Seit 2011 wurden 108 Anträge gestellt, von denen nur die Hälfte bewilligt wurde. Innovative Lösungen stecken in der Regulierungspipeline fest und kommen erst nach 2030 auf den Markt.“
Bild 1 – Vorstand: Obmann Christian Stockmar (mi.) sowie seine Stellvertreter Karl Neubauer (li.) und Ronald Hamedl (re.) fordern bessere Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung. (Credits: Schiffl/IGP)
Bild 2: Obmann Christian Stockmar warnte vor Regelungen, die für Landwirte zur Mission Impossible werden können. (Credits: Schiffl/IGP)