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Enttabuisierung von Innovation ist Voraussetzung für nachhaltige Produktion

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Webinare der IGP zum „Innovation Deal“: Optimierung der landwirtschaftlichen Produktion verlangt intensiven Austausch zwischen unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen.

Im Sinne eines hohen Selbstversorgungsgrads mit Lebensmitteln sollte die Landwirtschaft insgesamt nachhaltiger gestaltet werden – also auf ökologischer, ökonomischer und sozialer Ebene. Ein zu starker Fokus auf die Ökologie kann Zielkonflikte verursachen und zulasten der europäischen Landwirtschaft und anderer Länder gehen. Mit einem hohen Versorgungsgrad aus regionalem und nachhaltigem Anbau trägt Europa dazu bei, weltweit Naturräume zu erhalten. Wir sollten daher mit der jetzt verfügbaren landwirtschaftlichen Fläche unser Auslangen finden und diese optimal nützen, denn bei deren Umwandlung in Anbauflächen passieren ein enormer CO2-Ausstoß und Biodiversitätsverlust. Das betonten Urs Niggli vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Österreich und Alexander Bernhuber, Mitglied des Europäischen Parlaments, bei der fünften Veranstaltung der Webinar-Reihe der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP) zum „Innovation Deal“. Zum Thema „Alle satt & Welt gerettet: Wie gelingt eine nachhaltige Lebensmittel-Produktion?“ forderten sie zudem eine nachhaltigere Ernährung als Grundlage für eine entsprechende landwirtschaftliche Produktion sowie einen stärkeren Wissenstransfer zwischen Forschung, Landwirtschaft und unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen. Das Webinar kann auf dem Youtube-Kanal der IGP nachgesehen werden.

Stockmar: Nachhaltige Produktion benötigt Innovation

„Die europäische Landwirtschaft produziert einerseits Lebensmittel für die Menschen in Europa, ist aber andererseits auch in die globale Wertschöpfungs- und Verteilungskette eingebettet. Dementsprechend wird sich der Green Deal auf die weltweite Lebensmittelproduktion und die Versorgung mit Lebensmitteln auswirken. Um die Ziele des Green Deals zu erreichen, den Anforderungen nachkommen zu können und einen Beitrag zur globalen Lebensmittelversorgung leisten zu können, ist die europäische Landwirtschaft auf Innovationen angewiesen – und das vor allem im Bereich des Pflanzenschutzes“, so der Obmann der IGP, Christian Stockmar.

Niggli: Innovation enttabuisieren und Wissenstransfer intensivieren

Das Thema der weltweiten Ernährung mit Lebensmitteln hat sich im Diskurs längst durchgesetzt und damit die Frage, ob die biologische Landwirtschaft die Welt ernähren kann. Es gibt aber keine einfachen Rezepte und Lösungen. Vielmehr wirken viele kleine Teile zusammen, die man ganzheitlich betrachten sollte. Der Wissenstransfer zwischen Forschung und Landwirtschaft, aber auch konventionellen und biologischen Betrieben sollte daher intensiviert werden, so Urs Niggli.

„Die biologische Landwirtschaft hat eine wichtige Aufgabe. Wie die Hefe im Teig löst sie viele Prozesse aus und gibt Anstöße. Deshalb hat der Bio-Landbau in Europa großen Einfluss auf die Entwicklung der Landwirtschaft. Aber er kann nicht die Welt ernähren. Was kann die Welt ernähren? Wenn wir möglichst viel von dieser Hefe und ihren Ideen übernehmen, denn all diese Ansätze – egal ob nachhaltiges Denken, Bodenbearbeitung, breite Fruchtfolge und Vielfalt – sind wichtig und Teil einer Produktion, die die Welternährung sicherstellen kann. Jede Form von Vielfalt – seien es Kulturen, Sorten, Betriebszweige oder die Landschaft – sichert hohe Erträge. Die menschliche Intelligenz ist dabei stark gefragt, ebenso wie die Kreativität und der Forschungstrieb. Die Kombination zwischen Hightech in der Wissenschaft, dem traditionellen bäuerlichen Wissen und dem Innovationsgeist der Landwirte sowie ein tiefes Verständnis der Ökologie helfen uns weiter.“

„Die Konstante in der Landwirtschaft ist, ausreichend hochwertige Lebensmittel zu produzieren. Diesen jahrhundertelangen Kampf mit wiederkehrenden Hungersnöten aufgrund von Ernteausfällen hat der Mensch erst im 20. Jahrhundert gelöst. Heute können wir auf hohem Niveau produzieren und Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden, korrigieren. Der biologische Pflanzenschutz mit Natursubstanzen hat dabei ein großes Potenzial, ist zum Teil aber noch zu wenig entwickelt. Die Forschung muss in diesem Bereich Vorarbeiten machen.“

„Ich bin überzeugt, dass man mit Precision Farming, Digitalisierung und dem Einsatz von Drohnen Herausforderungen wie die Reduktion von Aufwandmengen von Betriebsmitteln langfristig lösen kann. Aber leider gibt es zu viele gesellschaftliche Tabus, die den Einsatz sowie den Diskurs über Innovationen verhindern. Irgendjemand muss den Diskurs führen. Das gilt auch für die Ernährung: Wir müssen uns nachhaltiger ernähren, denn nur dann kann die Landwirtschaft nachhaltig sein.“

Bernhuber: Ökosoziale Landwirtschaft „made in Austria“ ist das Ziel

Momentan werden auf europäischer Ebene und vor allem im Europäischen Parlament viele Themen diskutiert, darunter die „Farm to Fork“-Strategie der EU-Kommission. Sie ist ein wichtiger Ansatz, um die Wertschöpfungskette ganzheitlich zu betrachten und eine Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit auszulösen. Dafür werden auch Investitionen in die Bildung nötig sein, betont Alexander Bernhuber.

„In der „Farm to Fork“-Strategie ist ein starker ökologischer Aspekt erkennbar, der sich aus den unterschiedlichen Zieldefinitionen ergibt. Die größte Herausforderung ist dabei die Frage nach den ökonomischen Auswirkungen dieser Ziele, denn ökologische Regelungen kosten Geld. Momentan machen wir uns die Produktion in Europa enorm schwer und schaffen uns selbst große Herausforderungen. Ein wesentliches Ziel muss sein, ausreichend leistbare Lebensmittel zu erzeugen. Das war auch der Grundgedanke der GAP. Von dem Gedanken weichen wir in der Landwirtschaft jedoch ab und den Landwirten wird der Rucksack der Umweltleistungen umgehängt. Dadurch stehen wir in einem Zielkonflikt. Wir brauchen eine nationale und eine europäische Selbstversorgung mit Lebensmitteln. Es kann nicht sein, dass wir der grünste Kontinent werden und unsere Lebensmittel woanders produzieren lassen. Das geht in die falsche Richtung.“

„Bei den jungen Landwirten gibt es eine enorme Innovationskraft. Basis dafür sind unsere landwirtschaftlichen Fachschulen, die dank der guten Infrastruktur und des Lehrkörpers Innovationsmotoren sind. Ein Beispiel ist die Innovation Farm, die gemeinsam mit dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus umgesetzt wird. Hier kommt der agrarische Nachwuchs mit Technologien in Verbindung und nimmt das Rüstzeug mit, das es braucht. Gemeinsam mit weiteren Maßnahmen wie dem Sachkundenachweis beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder der ständigen Weiterbildung wurde ein guter Prozess in Gang gesetzt. Aber natürlich muss auf den Betrieben auch der ökonomische Faktor passen, damit Landwirte Neues ausprobieren und versuchen. Das ist die Basis für eine nachhaltige Produktion.“

„Man sollte Innovationen immer als Chancen betrachten und nicht von vornherein ausschließen. Auf Herbizide verzichten bedeutet zum Beispiel Bodenverlust und steigende Erosionsgefahr durch mechanische Bodenbearbeitung. Das zeigt, dass man die Landwirtschaft ganzheitlich betrachten muss. Eine ökosoziale, umweltgerechte Landwirtschaft, das ist das Ziel. Österreich ist in vielen Bereichen Vorreiter und wir können unser Erfolgsrezept exportieren – EU-weit und global.“

 

Das nächste Webinar:

Das hässliche Entlein? Die landwirtschaftliche Produktion in den Medien
8. Juni, 16:00 Uhr
Gerlinde Pölsler (Falter)
Stefan Nimmervoll (Blick ins Land)
Roman Vilgut (Kleine Zeitung)

Für die Teilnahme am Webinar ist eine Anmeldung per E-Mail an igp@khpartner.at notwendig. Die Teilnahme ist kostenlos.

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