Versuche in Hollabrunn zeigen: Ohne Pflanzenschutz keine Ernte
Ohne Herbizideinsatz sind Kulturen nicht beerntbar, ohne Insektizide Erträge um über 50 Prozent niedriger. IGP fordert Trendwende in EU-Agrarpolitik, sonst wird aus Green Deal ein Lose-Lose-Deal.
Gemeinsame Demoparzellen mit einjährigen Pflanzenschutzversuchen der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP) mit der Landwirtschaftlichen Fachschule Hollabrunn (LFS Hollabrunn) unter der Leitung von Franz Ecker, Koordinator für Versuchstechnik beim Land Niederösterreich, brachte besorgniserregende Ergebnisse: Verzichtet man bei Zuckerrübe und Mais auf die Unkrautkontrolle, bedeutet das für die Ernte einen Totalausfall. Der Insektizidverzicht bei Erdäpfeln wiederum macht diese ungeschützt gegenüber dem Kartoffelkäfer, wodurch der Ertrag um über die Hälfte sinkt.
„Damit sind NGOs und EU-Kommission widerlegt: Eine Landwirtschaft ohne Pflanzenschutz funktioniert nicht. Fehlende Produkte bedeuten Ernteeinbußen, Ressourcenverschwendung, Verlust der Selbstversorgungsfähigkeit, existenzgefährdende wirtschaftliche Einbußen für die Betriebe und steigende Preise aufgrund sinkender Verfügbarkeit für die Konsumenten. Kompensiert wird das durch die Auslagerung der Produktion in Drittländer mit niedrigeren Standards und steigenden Emissionen, weil Habitate und Naturflächen in Ackerland umgewandelt werden“, kritisiert IGP-Obmann Christian Stockmar. „Der Green Deal sowie seine einzelnen Initiativen und Strategien sind grundsätzlich zu unterstützen. In seiner jetzigen Form ist er jedoch ein Lose-Lose-Deal. Es braucht eine Trendwende in der EU-Agrarpolitik mit einem Schulterschluss zur Wissenschaft und einer Abkehr von realitätsfremden NGO-Fantasien.“
Die drei Versuche im Überblick:
Bei den Kartoffeln wurde in den Parzellen einerseits auf Herbizide, andererseits auf Insektizide verzichtet. Der Verzicht auf Herbizide brachte am Standort eine Ausbreitung des Schwarzen Nachtschattens sowie der Ackerwinde und Ernteeinbußen von über 50 Prozent (Bild 1): Im Detail wurden auf der behandelten Fläche pro Pflanze im Schnitt 0,86 kg geerntet (im Bild rechts oben), auf der unbehandelten nur 0,37 kg (im Bild links unten). Der Anteil an nicht verkaufsfähiger Ware ist nahezu gleich (im Bild unten). Im Insektizidfenster (Fläche ohne Pflanzenschutzmittel) gab es einen enormen Befall mit Kartoffelkäfern (Bild 2) und vor allem mit deren Larven (Bild 3). Von befallenen Flächen breiten sich die Käfer im Folgejahr auf benachbarte Felder aus. Das Resultat: Kahlgefressene Pflanzen, die ihre Energie in den Wiederaustrieb stecken und deutlich weniger Kraft für die Bildung wertvoller Knollen haben
Im Körnermais wurde in einem unbehandelten Fenster kein Herbizid eingesetzt (Bild 4). „Verzichten Landwirte auf Herbizide oder effiziente mechanische Unkrautbekämpfung, hat die Kultur keine Chance. Sie verliert den Kampf um Nährstoffe, Wasser und Licht, ist viel kleiner und kann kaum Kolben bilden (Bild 5). Schwerer wiegt jedoch, dass der so verunkrautete Mais gar nicht beerntbar ist. Der Verzicht auf eine Unkrautkontrolle bedeutet einen Totalausfall“, so IGP-Obmann Christian Stockmar. Weitere Auswirkungen zeigen sich in den Folgejahren: Dann keimen die Unkrautsamen von Weißem Gänsefuß, Amaranth, Fuchsschwanz und Co. und es kommt zu einem hohen Druck in der Folgekultur – mit oder ohne Fruchtfolge. Ein Insektizidfenster wurde in Hollabrunn nicht angelegt, aber die teils massiven Schäden in Oberösterreich und der Steiermark durch den Maiswurzelbohrer (Bild 6) belegen die dramatischen Auswirkungen, wenn effiziente Werkzeuge fehlen. Die Larven des Käfers fressen die Wurzeln ab, wodurch die Pflanzen umfallen. Auch wenn sie sich wieder aufrichten (Gänsehalswuchs), kommt es zu Ertragsverlusten. Die Käfer fressen um die Blüte die Narbenfäden und beeinträchtigen die Befruchtung. Eine Fruchtfolge kann bei der Kontrolle unterstützen, aufgrund der Mobilität der Insekten sind aber angrenzende Flächen im Folgejahr betroffen.
Auch in der Zuckerrübe, die mit Minimalbodenbearbeitung angebaut wurde, wurde ein Herbizidfenster angelegt. Die Rüben sind ohne Herbizidbehandlung um über 80 Prozent kleiner. Zwei Rüben aus der behandelten Fläche wogen 2,21 kg, zwei aus der unbehandelten nur 0,36 kg (Bild 7). Die Probebeerntung fand Anfang September statt, weshalb der Unterschied bei der tatsächlichen Ernte Mitte/Ende Oktober noch dramatischer sein wird, vor allem beim Zuckergehalt, der letztendlich bei der Abnahme durch die Lebensmittelindustrie entscheidend ist. Aufgrund des enormen Unkrautdrucks ist eine Beerntung ebenfalls unmöglich (Bild 8). Damit bringt eine fehlende Unkrautkontrolle auch in der Zuckerrübe einen Totalausfall. Eine weitere Herausforderung ist der Cercospora-Befall ab Reihenschluss an den Blättern (Bild 9). Kommt es aufgrund fehlenden Pflanzenschutzes zum Absterben der Blätter, treiben die Rüben neu aus und verbrauchen dabei den gebildeten Zucker. Im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes gewinnen tolerante Sorten an Bedeutung.