Landwirte benötigen für regionale Eigenversorgung Betriebsmittel & Technik
Webinare der IGP zum „Innovation Deal“: Biodiversitätsmaßnahmen verlangen Produktivität auf bewirtschafteten Flächen. Fehlen Betriebsmittel, hat das negative Auswirkungen auf nachgelagerte Unternehmen und Konsumenten.
Die Landwirtschaft ist seit den 90er Jahren moderner geworden, hat den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert sowie die Effizienz gesteigert und wird auch künftig diesen Weg fortsetzen. Um eine hohe Selbstversorgung aus regionaler Produktion weiterhin gewährleisten zu können, benötigen die Landwirte jedoch einen Zugang zu Technologie und Innovation. Das betonten Franz Sinabell vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und der Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Lorenz Mayr, bei der vierten Veranstaltung der Webinar-Reihe der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP) zum „Innovation Deal“. Zum Thema „Vom Hof zum Tisch: Effekte von Produktionsmitteln für die Eigenversorgung“ standen die Effekte des Einsatzes von Betriebsmitteln für die agrarischen Betriebe, die Wertschöpfungskette und die Volkswirtschaft im Fokus. Das Webinar kann auf dem Youtube-Kanal der IGP nachgesehen werden.
Stockmar: Betriebsmittel sind Baustein einer zukunftsfitten Landwirtschaft
Der Obmann der IGP, Christian Stockmar, betonte eingangs die Ergebnisse des Runden Tisches der Anbau- und Agrarverbände in Österreich: „Der Verlust von Betriebsmitteln stellt die Landwirte in Europa vor große Herausforderungen und der Klimawandel wird die Situation weiter verschärfen. Daher sind Betriebsmittel neben Technologie und Digitalisierung ein wesentlicher Baustein einer zukunftsfitten Landwirtschaft, sei es aus betrieblicher oder volkswirtschaftlicher Sicht. Geht ein Wirkstoff verloren, hat das enorme Auswirkungen auf den einzelnen Betrieb und aufgrund niedrigerer Erträge oder Qualitäten auch auf die nachgelagerten Unternehmen.“
Sinabell: Braucht hochqualifizierte Landwirte und Support-System
Die Corona-Krise hat die Bedeutung einer ausreichenden Versorgung mit Produkten des täglichen Bedarfs gezeigt. Dabei hat das System im Lebensmittelbereich bewiesen, dass es stabil und resilient ist, denn Österreich kann viele Bedürfnisse der Menschen selbst decken und auf Handelspartnerschaften insbesondere mit den Nachbarländern vertrauen. Gleichzeitig ist im Jahr 2020 erstmals die monetäre Außenhandelsbilanz bei Agrargütern positiv. Zur Diskussion über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln betont Franz Sinabell:
„Das goldene Mittelmaß beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist das Bemühen der österreichischen Landwirte, die bestmögliche Substanz so einzusetzen, dass großer Schaden abgewendet wird. Jeder Landwirt dreht den Euro zweimal um und überlegt sich gut, ob er Pflanzenschutzmittel einsetzt. Bei Verboten und Einschränkungen sollte man Zweitrundeneffekte daher stärker beachten. Wenn wir einen Organismus schützen wollen und den Einsatz einer Substanz für diesen Zweck verhindern, dann kann die Folge sein, dass dessen Lebensgrundlage weg ist und die Kultur nicht mehr angebaut wird. Oft bleibt nur noch Mais als wirtschaftliche Alternative übrig. Wir sollten die Landwirte dabei unterstützen, ihr Innovationspotenzial zu nützen, und ihnen Lust machen, Dinge auszuprobieren. Derzeit bürden wir als Gesellschaft diese Kosten und auch jene für Ernteausfälle den Landwirten auf.“
„Wir haben eine Untersuchung zum Innovationsverhalten der Landwirte durchgeführt. Sie zeigt, dass viele Praktiken und Methoden zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit direkt in den Betrieben entwickelt werden. In der biologischen Produktion ist das komplementäre Know-how zur Optimierung der Verfahren oftmals nicht ausreichend vorhanden, weshalb es höhere Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung braucht. Auch bei jenen, die auf Pflanzenschutzmittel zurückgreifen können, sind die Anforderungen hoch. Das zeigt: Wir brauchen hochqualifizierte Landwirte und ein entsprechendes Support-System durch die Landwirtschaftskammern und deren Infrastruktur.“
„In den letzten 100 Jahren konnten die Erträge durch Forschung, Entwicklung und besseres Management durchschnittlich um 1 bis 2 Prozent jährlich gesteigert werden. Dahinter stehen öffentliche und private Investitionen. Die öffentlichen Investitionen in Agrarforschung stagnieren jedoch und die privaten sind rückläufig. Man kann die Fortschritte der letzten Jahrzehnte also nicht einfach fortschreiben, vielmehr ist hier ein Plateau in einigen Bereichen bereits zu beobachten.“
Mayr: Technik unterstützt, aber es braucht Verbesserungen
Die Technisierung im Ackerbau hat wesentlich zur Weiterentwicklung beigetragen. So können heute Maßnahmen getroffen werden, um das Wasser auf den Feldern zu halten, Überschwemmungen zu verhindern und somit den Kulturen unterirdische Wasserdepots zur Verfügung zu stellen – vorausgesetzt es gibt ausreichend Niederschlag. Die Digitalisierung und RTK- oder GPS-Signale unterstützen bei der präzisen Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln. Das ist eine wichtige Entwicklung, denn der Klimawandel bringt einige Herausforderungen für uns Bauern mit sich, wie etwa Extremwetterereignisse oder einen höheren Schädlingsdruck, so Lorenz Mayr.
„In den vergangenen Jahren hatten wir in vielen Kulturen Probleme. Der Rüsselkäfer kann sich bei wenig Niederschlag optimal vermehren und schwere Schäden in der Zuckerrübe verursachen. Beim Raps hat sich die Anbaufläche seit 2013 aufgrund fehlender Wirkstoffe und eines starken Befalls durch den Rapserdfloh nahezu halbiert. Die Folgen sollten allen klar sein: Steigende Importe oder die Schließung von Betrieben der Lebensmittelindustrie in Österreich, weil Ernten aus dem Inland fehlen.“
„Landwirte sind bestens informiert und nützen zunehmend Warndienste und neue Techniken, um Betriebsmittel noch präziser und effizienter auszubringen. Dies hilft auch beim Einsatz von Applikationskarten, die dichtere Bestände auf fruchtbaren Flächen ermöglichen. Die nächsten Schritte werden Robotik, Drohnen und satellitengesteuerte Technik sein, wodurch man die Bestände und Pflanzen punktgenau mittels Einzeldüsen behandeln kann. Technik ist jedoch teuer, daher braucht es insbesondere für kleine Betriebe Unterstützung etwa im Rahmen des ÖPUL. Auch bei den Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Technologien benötigt es noch Verbesserungen. Aber Digitalisierung und Technisierung werden uns sicher helfen.“
„Der Green Deal ist in punkto Klimaschutz eine große Chance, aber nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Gerade die Landwirtschaft leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. So versuchen wir zum Beispiel, die Bodenbearbeitung zu reduzieren. Fehlen jedoch Betriebsmittel, können wir ständig bedeckte und durchwurzelte Böden nicht erhalten. Wir brauchen praxistaugliche Lösungen, die ökologische und ökonomische Kriterien berücksichtigen. Biodiversität und Produktivität dürfen nicht im Widerspruch stehen, sondern müssen Hand in Hand gehen. Ein wichtiges Werkzeug ist daher auch der Pflanzenschutz. Es braucht die Zulassung und Verfügbarkeit von wirksamen Pflanzenschutzmitteln, um die österreichische Produktion abzusichern und damit die Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln aus der Region sicherzustellen.“
Das nächste Webinar:
Alle satt & Welt gerettet: Wie gelingt eine nachhaltige Lebensmittel-Produktion?
27. Mai, 17:00 Uhr
Urs Niggli (Forschungsinstitut für biologischen Landbau Österreich, FiBL)
Alexander Bernhuber (Mitglied des Europäischen Parlaments)
Für die Teilnahme an den Webinaren ist eine Anmeldung per E-Mail an igp@khpartner.at notwendig. Damit erhalten Sie automatisch für alle Webinare einen Einwahllink. Die Teilnahme ist kostenlos.